ART

Thomas Pfab: Berg-Mensch-Kreuz. Die Arbeiten von Eva-Maria Kirschhock

Kunst und Gestaltung sind grundlegende menschliche Kräfte, die jedem Menschen eignen in mehr oder minder ausgeprägter Weise und in individueller Ausprägung. Gestaltung als Selbstgestaltung wie als Fremdgestaltung machen den Menschen erst zum Menschen.

Kunst verwirklicht sich in verschiedenen Ebenen und Gestaltweisen. Inwieweit jedwede Gestaltung als Kunst zu uns spricht und sprechen kann ist eine alte Frage der Kunsttheorie, Kunstgeschichte und Kommunikationstheorie.

Gestalterische Arbeit, künstlerische Arbeit ist immer und überall Arbeit, energetische Arbeit. Kunsttheoretisch wird dies u.a. „Soziale Plastik“ genannt als eine Arbeit, als plastizierende Arbeit an sich selbst als auch an der konkreten Umwelt und der Gesellschaft und deren differenzierter Ausformung von Welt; schöpferische Arbeit als kreativer Prozess, auch konkreativer Prozess.

In diesem Sinne sind künstlerische Ateliers weit jenseits von bohemeiesken Vorstellungen wirkliche Werkstätten der Gestaltung und Welthervorbringung.

Überzeugungskraft ist die Gestaltkraft, die beim Betrachter überspringt, überzeugt, auch anderen hilft, weiterhilft, Möglichkeiten zeugt und öffnet (in der jeweiligen Lebensbewältigung, der Lebensbeweltigung).

Kirschhocks Arbeiten zeugen sich aus einer tiefen Spiritualität; diese ist nicht zu verwechseln mit modischer Esoterik, sektiererischer Ideologie noch mit traditionell-kirchlicher Bild- und Ikonendarstellung. Ihre Spiritualität kommt phänomenal von lat. Spiritus „Hauch, Lufthauch; Atem; Leben; Seele; Geist“; und sie besitzen eine eigene kongeniale Überzeugungskraft, die sehr sublim und eben nicht überwältigend aber welthaft daherkommt und von Betrachter Beweglichkeit einfordern. Zugleich sind sie sehr flüchtig, weil prozessual und sind nur bedingt geeignet für habhafte Dekoration von Wänden und einfachen Besitz. Sie sind mehr Andachtsbilder und benötigen ein Andenken, laden förmlich dazu ein; ein möglicher Inhalt und dessen Wert entstehen eben in dieser zu leistenden Andacht/Andenken.

Drei Themenschwerpunkte in Kirschhocks Arbeiten

1.Kernpunkt Mensch

Eva-Maria Kirschhocks Arbeiten spielt und wirkt auf unterschiedlichsten Ebenen. Als geisteswissenschaftliche Forscherin im pädagogisch-universitären Bereich hat sie grundlegende Werke zum Erwerb von Sprache und Schrift geschrieben und ihr tagtäglicher Lehrbereich an der Universität ist geprägt neben fachlicher Kompetenz und Effizienz von menschlicher Kraft und gelebter mitmenschlicher Verantwortung.

Als bildnerische Künstlerin bleibt dieser Kernpunkt Mensch weiterhin Wurzel wie Wachstumskraft ihrer Arbeiten. L´art pour l’art war nie eine Möglichkeit für sie. Wenn schon: L´art pour hommes war und ist stets ihr Anliegen. Zutiefst menschlich und einladend, doch ohne pädagogisches Fernziel. Immer von konkretem Interesse und Liebe zum Menschen geprägt.

 

 

                

 

 

 

 

2. Kernpunkt Berg

Der Berg ist natürlich nicht das wohlfeile Hintergrundmotiv von Musikantenstad’l, Doktorserien und Sportenthusiasmen. Wiewohl der Berg schon hintergründig ist.

Berg ist zwar auch ein inhaltliches Sujet in Kirschhocks Arbeiten, jedoch ist dieses stets anwesend auch in allen anderen Inhalten; Kirschhocks Arbeiten haben immer auch die Tiefenebenen des Bergens und Verbergens, die sich dem leichten und konsumierenden Oberflächenblick nicht leicht gibt - und zugleich etwas Einladendes. Der Bergsteiger kennt dies: eine Tour, eine spezielle Route hat etwas Abweisendes, Fremdes, Gefährliches und Verborgenes, das sich im Berg verbirgt und nur im Gehen und Steigen und Wagnis erfahrbar ist, im sich darauf Einlassen – und zugleich etwas Einladendes, Rufendes, das den Einstieg ja erst anlockt und ermöglicht. Kirschhocks Arbeiten haben diese verführenden Innenkräfte, sprechen an und fordern zugleich Einlassen und Beweglichkeit.

Man findet also in Kirschhocks Arbeiten auch Berge im üblichen Sinne des Sujets. Ihre Bergmotivik zeigt sich aber im eigentlichen Sinne in jeder ihrer Arbeiten, als der vorsichtigen Darstellung und an die Oberfläche bringen eines geheimnisvollen inneren Gewirks, das in ihrer Arbeit eben auch Wirklichkeit wird. Die Arbeiten bergen Ebenen und Seinswerte, die jenseitig und untergründig liegen, ohne allzu aufdringlich eine wie auch immer geartete jenseitige Esoterik zu verkörpern.

 

 

                          

 

 

3. Kernpunkt Kreuz

Das Kreuz ist die einfachste Weise, ein Dasein klar zu verorten und zu verdeutlichen: das horizontale breite HIER – und die Präsenz wird deutlicher, präziser und damit auch wertreicher durch den Akzent  , den präzisen Einschlag aus der Vertikalen, der ihr Verortung und damit Dasein gibt +

Im gleichen verdeutet es den Berührungspunkt als Schnittpunkt zweier unterschiedlicher Ebenen und Dimension. Deshalb taugt es als Determinante auf Wanderkarten genauso wie als weltweites Signet für die christliche Religion wie auch als am Gipfel einer Bergtour stehendes Zeichen für die Berührung von Weg und erreichtem Gipfel. Kreuzweg. Immer bedeutet das Kreuz einen gegenwärtigen und intensiven Brennpunkt mit Dichte, Deutlichkeit, Mehrdimensionalität, Mehrwert, Weiterung als Schnitt- und Einigungspunkt von konträren Dimensionen im physikalischen wie im geistigen Sinn. Allen diese Bereiche fließen in Kirschhocks Arbeiten ein und verwandelt wieder aus.